Moin,
so Tante Elfriede ist mal wieder gehoppelt. Diesmal allerdings nicht per Bistro Panzer angereist, sondern dekadent mit dem Flieger eingeschwebt. Sollte ja Jogging deluxe werden. Ganz so locker fing es dann aber doch nicht an. Unwetter am Flughafen Stuttgart haben erst ein bisschen den Anflug verändert und uns dann noch eine längere Zeit im Flieger gehalten. Der Bodenservice war komplett eingestellt und es konnten keine Treppen an den Flieger gebracht werden. Unwetter eben. Mal abgesehen von der Verzögerung waren das keine guten Vorzeichen für eine Nacht mit 80km laufen.
Ab ging es mit dem Mietwagen nach Karlsruhe. Ein Lancia Ypsilon. Das ist vielleicht eine komische Kiste. Fängt schon damit an, dass die Knalltüten am Radio silber Schrift auf silber gewählt haben. Wie soll der Sehschwache Endvierziger denn das beim Fahren erkennen können? Und überhaupt Silber – äh, Plastik in so was wie Silber um genau zu sein – das spiegelt sich überall. Im Fenster, Seitenspiegel… überall sieht man nicht was man will sondern silbernes Plastik. Na war ja nur für 70km.
Meine Vorbereitung auf den Lauf war traditionell exquisit. Der km Zähler für 2009 bliebt vor dem Lauf bei 650km stehen. Davon 110km im „Wettkampf“, sprich zwei längere Läufe (Treppenlauf und HILL50). Der Rest entspannt durch Hamburgs Norden gehoppelt. Immer wieder höre ich, dass man in einem solchen Fall auf niemals von Training reden darf. Also rede ich mal von Vorbereitung. Ich war also wie dargestellt vorbereitet. Im Schnitt 24,5km die Woche. Allemal ausreichend für einen 80er.
Ich kam so gegen 13:00 auf dem Parkplatz an, den ich trotz fehlender Beschilderung schnell gefunden hatte. Die Unterlagen – hier in der absoluten Minimalform! Chip und Startnummer!! - waren auch flux meine und so konnte ich mich noch auf den Briefmarkengroßen Sitzen des Mitwagens zusammenrollen und ein wenig Schlafvorholen. In diesem Moment habe ich den Bistro Panzer doch vermisst. Besonders als ich dann wieder wach wurde und die Bedienungsanleitung zum entfalten und reanimieren der Gliedmaßen nicht finden konnte. Mir wurde klar, dass ich jetzt nicht nur Schlaf sondern auch ein gerüttelt Maß an Muskelverspannungen getankt hatte. Na würde sich beim Laufen ja alles wieder lockern.
So jetzt noch aus dem Fundus der Plastik-Klamotten die richtige Auswahl für den Lauf treffen. Das Wetter hatte sich zunehmend stabilisiert. Es waren zwar noch mächtig schwarze Wolken am Himmel, aber irgendwie mieden diese den Startbereich und es war eher schwül warm. Also luftig angezogen, eine warme Schicht um die Hüfte gebunden und eine leichte Regenjacke an den Gürtel.
Neulich hatte ich mich mal wieder mit Wettkampf Nahrung meiner bevorzugten Marke eingedeckt. Die hatten auch etwas neues im Programm. Hab ich natürlich gleich mal gekauft. Soll man ca. 1 Stunde vorm loslaufen einwerfen. Koffein und so Vitaminzeugs. Soll schnell machen. Was ist da besser als der live Test ohne Probe. Dat Zeugs ist also drin und ich werde mal beobachten was das während des Laufens noch so gibt.
Ja und dann noch das: Ultreuse T. läuft ja jetzt mit Orthopädischen Strümpfen und meinte das sei auch für mich mal gut. Also ging ich brav los und habe mir auch solche Dinger besorgt. Hatte ich auch schon mal auf meinen kurzen Trainingsläufen an. Aber hier kurz vor dem Start, dann doch die kurzen Söckchen. Sehen einfach schicker aus. Die Wadenwickel kann ich ja dann danach zum regenerieren anziehen.
Kurz vor 17:00 sind dann alle auf dem Sportplatz versammelt. Dort spielen gerade noch irgendwelche Büroangestellten gegen irgendwelche anderen Fußball. Ist ja Tag der offenen Tür vom Sportverein und somit gibt es ein buntes Rahmenprogramm. Um 17:00 der obligatorische Knall und los geht’s. Wir folgen kurz einem Smart in „Follow Me“ Lackierung und laufen dann in den ersten kleinen Wald.
Da auch Staffelläufer (ca. 110) mit am Start sind und von den ca. 210 Einzelkämpfern die meisten besser im Saft stehen als ich, ist mir das Tempo der ersten Meter (deutlich sub 6min) echt zu flott. Ich pendle mich nach ca. 3km bei 6:20 ein. Immer noch zu flott, aber so ist das eben.
Schnell sind wir wieder im Ort. Das ist etwas öde. Ich will Wald! Na die ersten 18km sind halt platt und gehen durch bebautes Gelände. Und über eine Bahntrasse. Die Schranke ist unten. Einer vor mir bückt sich und ist schwups drüben. Na das kann ich auch. Also auch schwups rüber. Geradeaus weiter. Einige stehen noch und denken die Deppen. Und wie haben Sie doch recht. Denn geradeaus Weiter ist FALSCH. Hart rechts wäre so was von besser gewesen. Gerufen hat natürlich keiner. Warum auch. Waren doch die Idioten die unter der Schranke durchgetaucht sind. Selber Schuld. Genau. Hätte ich auch so gemacht. Nach ca. 800m dämmerte es uns, wir waren falsch. Gewendet, zurück und den anderen gefolgt.
Kurze Zeit später die erste Steigung. Ein Hohlweg. Das war so lala, den Wind kam da keiner mehr an. Und wir hatten noch Gewitterschwüle ohne Ende. Es lief der Schweiß in Strömen. Na, nicht meckern. Es war immerhin noch kein echter Regen gefallen (ein paar Tropfen, eher angenehm). Der Hohlweg, war hohl was OK war, aber auch steil, was anstrengend war. Hier ging ich dann auch das erste Mal.
Bis hier hatte mich schon über die häufigen Tränken an der Strecke gefreut. Allerdings war das Verpflegungsangebot selbst für einen Aldi Gourmet wie mich mager. Es gab im Wesentlichen Salzstangen, Brot (mit und ohne was drin), Banane und Melone. Mir hat die Schoki gefehlt und den einen oder anderen Energiewürfel hätte ich auch gern gehabt. Na ich hatte ja was eingepackt.
Insgesamt wurde die Strecke ab hier dann schon ländlicher und waldiger. So wollte ich das. Noch war Licht da und ich habe sogar noch den einen oder anderen auf der Strecke sehen können. Aber im wesentlichen war ich dann schon allein unterwegs. Die Zahl derer, die sich für 80km anmelden und nur ankommen wollen ist wohl eher gering. Eine Vielzahl ist einfach oft dabei, gut im Training und damit immer weit vor mir unterwegs.
Es ging noch mal über eine luftige Kuppe. Und oben drauf ein Verpflegungsstand. Herrlicher Blick. Hier hätte man sich auch gut ins Gras legen können und einfach den Tag Tag sein lassen können. Naja, kurz geträumt und dann weiter im Text.
Die nächsten km waren unspektakulär. Ich lief. Der Tag verstrich. Die Nacht kam. Alle 4km immer ordentlich Cola rein (kam dem Energieriegel noch am nächsten) und immer schön auf die Pfeile am Boden geachtet (und die Flatterbänder im Wind). Einmal verhoppeln reicht. Ab und zu gabs noch Futter von Menschen die einfach nur nett zu den Läufern sein wollten. Da kann nicht nur sagen, Hut ab. Die waren zäh. Immerhin haben die sogar mich noch erlebt. Und ich war wirklich weit hinten. Aber – und jetzt kommt’s – ich hab sogar zu fortgeschrittener Zeit noch mal Menschen überholt. Das ist ja was, was ich nicht so kenne. Hier aber kam es vor. Einmal waren es Wanderer die immerhin 2 Stunden vor uns gestartet waren. Und dann sogar Läufer. Cool. Es kann also ab jetzt gesagt werden: Auch ich kann überholen.
So und nun war es dunkel. Der Schisser allein im Wald. So oder so ähnlich muß dieses Stück eigentlich heißen. Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre das für mich ein echtes Stück Arbeit gewesen. Wald. Dunkel. Allein. Na prima. Aber hier ging es. Komisch. Sollte man auch in diesem Alter noch lernfähig sein? Muß wohl.
Einmal allerdings – die Nacht war gerade hallo sagen gekommen – da hat es mich richtig fies gegruselt. Augen. Augen in der Dunkelheit. Helle strahlende Augen. Dort wo meine Lampe gar nicht hinleuchtet. Aber die blieben da. Kuckten nur. Auf der Welle Adrinalin kam ich immerhin soweit, dass ich dann feststellen konnte, dass es von diesen Augen noch viele gab. Die Abstände variierten und es waren eigentlich nicht Augen, sondern Glühwürmchen. Städter im Wald. Mehr sollte man gar nicht sagen.
Irgendwann sind auch die Glühwürmchen schlafen gegangen und ab da hatten wir den Salat. Buchenwald. Hohes Blätterdach. Ein prinzipiell sichelförmiger und damit nicht sehr heller Mond. Prinzipiell deshalb, weil es dichte Wolken hatte und der Mond da eh nicht viel gerissen hat. So und dann mal die Lampe ausgemacht. Das ist aber duster. Nun gut, die Augen müssen sich gewöhnen. 1 Minute. Dunkel. 2 Minuten. Dunkel. 4 Minuten. Nichts. Also soviel ist mal klar, wäre die Lampe hier gestorben – ich ja noch eine Backup Lampe, Schisser eben – weiterlaufen wäre NICHT gegangen. Biel im lichten Wald. Da konnte man immer irgendwas sehen. Auch waren andere Läufer dort. Hier war nichts, aber auch wirklich nichts zu sehen. Ich konnte nicht mal die Umrisse eines möglichen Weges erkennen. Schwarz. Einfach nur schwarz. Muß man mal erlebt haben.
Die Lampe hielt und so lief ich weiter. Selten sah ich mal einen anderen Lichtfleck auf dem Weg hüpfen. Ein älterer Mann spielte Gummiband mit mir. Bergab pfiffen seine Knie, da konnte ich davon ziehen. Bergauf hat er mich versägt, musste er doch nicht so viel unnützes Fleisch den Berg hochwuchten wie ich. Ich denke das haben wir so auch ca. 25km gespielt. Dann war er vor mir und ich habe ihn nicht wieder gesehen. Wurde ja auch flacher und er ist wohl einfach davon gezogen.
Irgendwer sagte ab km 60 geht es nur noch bergab. Naja. Schon irgendwie, jedenfalls erstmal. Angefangen hat es mit einem richtig lustigen Teil. Ein Stück echten Knüppelweges. Da war noch mal Koordination und hüpfen gefragt. Danach ein langer breiter Waldweg mit stetigem Gefälle. Das lief. Da kam noch mal Speed auf die RS800.
RS800. Ich hab ja schon über den Lancia gelästert. Dann also hier auch noch kurz ein Verruf auf die RS800. Nicht mal zwei Jahre alt. Sowohl Uhr als auch Sensor jeweils schon zweimal bei Polar zur Garantie. Die RS800 meinte auch hier wieder es seien fast 2000 Höhenmeter (es sind wohl 1000). Immerhin klemmten keine Knöpfe. Auch hielt die Batterie vom Fußsensor mal länger als 4 Stunden…. Man sieht, ich mag die Uhr. Mit der SX625 hatte ich die Sorgen nie. Aber der Sensor S1 ist halt nicht so elegant wie der S3 und der koppelt nicht mit der SX625. Ach ich liebe Abkürzungen. Na und die Eleganz des Sensors ist es letztlich die immer wieder die RS800 an den Arm bringt. Man will ja elegant am Ende laufen.
Am Ende des langen Gefälles kam dann ein langer flacher Weg durch den Wald. Wohl immer parallel zu einer Straße in einiger Entfernung. Es war also nicht mehr so ruhig. In der Nähe von Karlsruhe scheinen die Menschen auch in den frühen Morgenstunden gern Auto zu fahren. Schade eigentlich. Die Ruhe hatte mir schon gut gefallen.
Dann noch mal ein Ort. Das musste jetzt eigentlich auch nicht sein. An den Wald hatte ich mich schon gewöhnt. Aber der Ort bot noch eine andere Gemeinheit. Bis hier war immer klar gewesen wo es lang geht (wenn man denn auf den Boden kuckt). Hier nun eine Stelle wo es nicht klar war. Geradeaus.. nein kein Flatterband und keine Pfeile. Links? Dito. Murks. Rechts. Dito. Doppel Murks. Also zurück. Doch Flatterband und Pfeile. Also richtiger Weg bis HIER, aber wohin ab HIER? Na, kurz hinter mir hatte ich an der Verpflegungsstelle Stimmen gehört. Die würden ja bald hier sein. Waren Sie auch. Staffelmenschen, flott unterwegs. Muß aber eine Wanderstaffel gewesen sein, sonst hätte die unmöglich noch so weit hinten zugange sein können. Egal. Sie waren da. Sie waren aus der Gegend. Sie kannten die Strecke. Geradeaus. War auch naheliegend. Aber um 3 Uhr morgens will man nicht mehr ohne Not Umwege laufen. Also ein paar Meter im Team. Auch schön. Aber die anderen waren einfach zu frisch, das heißt ich war schnell wieder allein unterwegs.
So war ich dann auf letzten 8km. Es war wieder klar: ich komme an. Und es kam wie so oft, dass Gefühl, hinter der Kurve müsste doch… aber es musste nicht. Es waren noch ein paar Kurven. Dann endlich das Stadium. Noch eine letzte Runde über den morgen feuchten Rasen. Die Schuhe waren wieder sauber. Ich war happy. Aber nur kurz. Warum? Finisher Shirts waren alle. Die Aussage „die haben wir zu Anfang auch großzügig auch an die Radbegleitungen verteilt“ hat mir da auch wenig geholfen. Immerhin eine hübsche Medaille. Allerdings scheint der Veranstalter auch nicht zu planen die T-Shirts noch nachzuliefern. Das gibt deutliche Abzüge in der B-Note.
Dann noch schnell in der netten Atmosphäre einer alten Sportstätte geduscht. Streichhölzer in die Augen und den Mietwagen zurück nach Stuttgart geschaukelt. Dort musste ich dann noch bis 11 auf den Flieger warten.
Ab 14:00 stand dann schon wieder Tischtennis mit den Zwergen auf dem Programm. Wogen glätten, denn immer noch ist das Laufvergnügen des Papas zumindest bei Teilen der Familie nicht gern gesehen.