Abschied 2014

Moin,

A bschied…

aber nur vom Laufen. Ein komisches Gefühl. Aber erst jetzt hier verschriftet. Warum? Der Schlussläufer ist doch sonst so mitteilsam. Niemals nicht hat es lang gedauert bis nach einem Event ein Bericht Online zu finden war. Aber der Abschied, der nun ausgerechnet dauert so lange. Kann ich aber erklären. Ich bin spät zum Laufen gekommen. Erster Marathon - man kann es hier nachlesen - ist 2004 gewesen. Also eine junge Liebe. Das Laufen war die Liebe des Alters. Eine Leidenschaft zur rechten Zeit. Ich fand die Ruhe, den Ausgleich. Einfach herrlich. Ich war glücklich, wenn ich gelaufen bin. Ich war glücklicher in meinem Leben. Auch in den Phasen zwischen dem Laufen. Ich genoss das Laufen. Ich brauchte das Laufen.
Nicht alle teilten meine Begeisterung. Zu Hause gab es auch viel Kritik. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ein Fußballverein mehr Zeit kostet. Aber auch da ging es um Emotionen. Nicht um Argumente.
Ich lief also. Sehr intensiv wurde diese Liebe. Bereits im dritten Laufjahr ging es erfolgreich nach Biel. Langdistanz Triathlon und andere extreme folgten. Den ersten Bergmarathon lief ich bereits im zweiten Laufjahr. Lange war der Jungfraumarathon ein fester Termin in meinem Kalender. Nächtens im November durch die Hildesheimer Berge. 80km den Leuchtpunkten folgen und den Wildschweinen keinen Grund zur Aufregung geben. Ja ich habe das genossen. Wehwehchen gab es immer. Nein ich rede nicht von Blasen. Auch ausgefallen Fußnägel meine ich nicht. Das gehört so. Das ist der Preis für längere Strecken als so einen Marathon. Jedenfalls bei mir. Nein ich rede von den Gelenken. Da war mal der Fuß, der einen Ermüdungsbruch sein eigen nannte. Das Knie. Im zarten Alter von 16 mal komplett zersplittert. Es zickte aber trug mich munter weiter.
Also lief ich. Zipperlein hin, Zipperlein her. Ich scheiterte. Ja auch das kam vor. Brachte nicht so viel Spaß. War aber OK. Wer losläuft kann scheitern. Wer nicht losläuft ist schon gescheitert. Also lief ich los. 100 Meilen. 2 Versuche. 2 mal nix mit Ziel. DNF. Nicht schön, aber so ist das Leben. Immerhin hatte ich es versucht. 2012. Ich wollte den Swiss Alpine. K78 klang so cool. Also wenn nicht hundert Meilen, dann der. Eseltreiber. Harz. Der Test. Alles super. K78. Der Lauf. Auch super. Irre Zeit. Also für mich. Andere sind schneller aber ich bin langsam und glücklich. Aber die Bergab Strecken. Oh weh. Hüfte. Vorher schon gespürt, aber da dann schwer aktiviert. Jungfrau noch zum fünften Mal ins Ziel. Im November noch der KILL. Hildesheim bei Nacht. Ging. Aber machte Aua.
Ab da der Abstieg. Laufen? Nein. Und noch mal NEIN, sagte die Hüfte. Ich ging. Zu Fuß. So walken und so Sachen. Aber Laufen war undenkbar. Anfang 2013. Januar. Kalt und ich an Krücken. Selbst gehen ging nicht mehr. Cortison. Kernspin. Die volle Dröhnung. Fehlstellung der Hüfte. Knorpel weg. Hüft OP empfohlen. Will ich aber nicht. Also wandern. Walken. Radfahren. Stillstand ist der Tod. Aber eben nicht mehr laufen.
Was sich hier jetzt so leicht liest, war ein großer Schmerz. Ich musste das Laufen an den Nagel hängen. Mein Laufen. Ich habe mich schon sehr damit identifiziert. Mich darüber identifiziert. Ich war der Schlussläufer. Ich laufe nicht mehr. Auch nicht am Schluss. Ich bin nicht mehr unter Läufern. Ich höre andere von Ihren Vorbereitungen reden und ich spüre den Schmerz im Herz. Ich würde doch so gern. Aber ich Laufe nicht mehr.
Vernunft war nie mein Fokus, aber hier siegte sie. Ich laufe nicht mehr. Und ich habe in 2014 und dem verstrichenen 2014 gelernt das so zu sagen. Anonymer Nichtläufer sozusagen. Ich laufe nicht mehr. Nie wieder? Keine Ahnung. Wenn das Titan mich später zum Titanen macht. Wer weiß. Aber jetzt laufe ich nicht. Es geht nicht. Hundert Meter und ich verziehe das Gesicht vor Schmerzen. Die Schmerzen helfen das "ich laufe nicht mehr" nicht zu vergessen.
Aber auch wenn ich es heute so sage, es fehlt mir. Die Stimmung am Start. Die Menschen. Das fehlt. Ihr fehlt. Ihr durchgeknallten Typen, die Nachts mit Isoplörre und Energieriegeln im Gepäck mit den Wildschweinen um die Wette lauft.
Ich bin nicht mehr dabei. Aber ich bin in Gedanken bei Euch.