100km - oder wie stelle ich mein Leben auf den Kopf

Februar 2006

Wie es dazu kam : Was trainiert wird : Wieso muß man lesen : Wo der Kopf bleibt

Moin,

Als 11 jähriger war ich Mitglied im lokalen Sportverein. Walter Martins war der Trainer. Wir machten das, was man wohl Breitensport nennt. Laufen, Spielen, Turnen, eben all das was den Körper bewegt. Walter Martins selbst lief. Er lief auch die 100km von Biel. Damals war das eine Zahl. Gewaltig wohl, unereicht im persönlichen Leben. Aber mehr auch nicht. Einmal brachte er einen Aufkleber mit. Rot. 100km Biel Bienne stand da zu lesen. Er zierte lange Jahre die Mittelstange meines Torpedo 3 Gang Fahrrades. Lange dachte ich der Lauf geht von Biel nach Bienne. Die Geographie der Schweiz ist dem Norddeutschen eben fremd.
Ich wurde älter, den Sportverein habe ich verlassen. In der Schule brachte der Sport Schwimmen, Basketball und anderes. Das Studium verlief mit einem Ausflug ins Trampolin Turnen unsportlich. Ebenso der berufliche Werdegang. Der Weg zu mehr Gewicht, keuchenden Aufstiegen in den zweiten Stock und Brötchen holen mit dem Auto war vorgezeichnet.
Nachdem das vierte Jahrzehnt des Lebens fast zu Ende war, kamen die Rollerskates und die Bewegung fand wieder Ihren Platz in meinem Leben. Typisch Mann reichten die Runden um den Teich irgendwann nicht mehr aus. Wettkampf! Der Vergleich mit den anderen Bäuchen mußte her. Natürlich auf historischer Streckenlänge. Marathon. Das lief gut. Die Zeiten wurden besser. Also mehr. Doppelmarathon. Auch das funktionierte.
Nur das Wetter war oft gegen das Skaten. Und Strecken gab es auch nicht so viele. Auf der Straße gab es immer Ärger mit den Autos. Also nach über 20Jahren mal wieder Laufen? Welche Strecke? Marathon, na klar. 240km Vorbereitung in einem viertel Jahr mußten reichen, weil Familie, Job und Freunde nicht mehr Platz ließen. Und es hat für einen Zieleinlauf in knapp 5 Stunden gerreicht. Ging doch. Und der Größenwahn nahm seinen Lauf. Ein Jahr später zweiter Angang, nur 60 Sekunden schneller. Die Lungenentzündung 6 Wochen vor dem Start forderte Ihren Tribut. Und nun? Marathon bergauf? Genau. Also den Jungfrau Marathon im gleichen Jahr. Nur 10 waren langsamer, aber ich war glücklich und Endormorphin geduscht im Ziel. Die 3400 vor mir konnten auch nicht glücklicher gewesen sein.
Es stand die Planung für 2006 auf dem Zettel. Hamburg Marathon, sowieso! Jungfrau Marathon, Daumen drücken für einen Startplatz! Und im Sommer? Da kam die Erinnerung: Mensch Du läufst doch jetzt. Hat Walter Martins doch auch gemacht. Wie hieß der 100km Lauf noch. Biel. Google "Biel, 100km". Die ersten Rennberichte gelesen und der Größenwahn war wieder da: Ich bin angemeldet.
Diesmal aber mit Training und dennoch ungewissem Ausgang. Heute im Februar ist der Lauf zentraler Punkt meiner Gedanken. Konnte ich den Marathon fassen und mir des Zieleinlaufes relativ sicher sein, hier fehlt mir der Vergleich. Nachts kreisen die Gedanken um die hölzerne Brücke nach einem 5tel der Strecke, dem Hoh-chi-Min Pfad nach der Hälfte, der Steigung bis km 80, dem Abstieg danach, dem Schild 99km, dem Ziel. Viele Rennberichte, Bilder und Trainingspläne hab ich aufgesaugt. Es ist als ob ich die Strecke schon gelaufen bin. Bin ich aber nicht!
Wird die Nacht mich fressen? Falle ich nach 6 Jahren ohne Durchschlafen wegen der Kinder, morgens während des Laufes in einen komatösen Schlaf? Halten die Knochen? Arbeiten die Muskeln? Und Mental? Woran soll ich 14-16 Std. denken? Werden andere auch so langsam sein? Oder muß ich allein laufen?
Noch sind es 3 ½ Monate und bereits jetzt sind Kollegen, Freunde und Familie genervt, weil ich entweder laufe oder darüber rede. Ist der gedankliche Streß bis zum Start, nötig um den Lauf zu ertragen?
Ich kann mittlerweile die überschrift eines Laufberichtes "Vom Werde-Gang zum Lebens-Lauf" gut verstehen. Biel, die 100km, das verändert den Menschen.

Wie es dazu kam : Was trainiert wird : Wieso muß man lesen : Wo der Kopf bleibt

100km - was muß vorher laufen?

Training sind für die 100km von Biel wohl wichtiger als für jeden meiner Läufe bisher. Glaube ich jedenfalls. Oder sagen zumindest die "Anderen" , genau die anderen, auf die man bei eigener Unsicherheit gern mal zurück greift.
Also habe ich erstmal viel trainiert. Dann zwickte es natürlich hier und dort. Also weniger trainiert. Aber was ist richtig. Ich fand dann bei laufreport einen Trainingsplan. Da gab es "Die Wilde 13". Menschen wie Du und ich, die Ihren ersten 100km Lauf machen wollen und deren Ziel das Ziel ist. Und eben nicht irgendeine Zeit. Die Wilde 13 läuft bis max. 60km die Woche und hat einen Marathon als längsten Lauf. Das klang auf der einen Seite nach wenig. Auf der anderen Seite haben einige mit dem Plan das Ziel schon erreicht. Also ist das auch mein Plan.

Mut hat mir dann auch ein Artikel in der März Ausgabe eines Running Magazins gemacht, daß man für den Wechsel von Marathon auf Ultramarathon eigentlich nichts weiter machen muß als immer nur lange, langsame Läufe. Nix Tempo Training, nix Intervall, nur immer lange, lange langsam laufen. Na das klang doch auch sehr gut, was nun?

Ich laufe jetzt nach dem Umfangsplan der Wilden 13 als Untergrenze für mein Training. Streue doch hin und wieder auch mal eine - aus meiner Sicht - flotte Einheit ein.
Am 10.06.06, spätestens, wenn in Biel das Ziel dichtmacht, werde ich wissen, ob das so richtig war.

Wie es dazu kam : Was trainiert wird : Wieso muß man lesen : Wo der Kopf bleibt

100km - Lese-Marathon zur Ablenkung

Lesen kann man über die 100km im Internet so einiges. Scheint so, als ob jeder der besemmelt genug ist da mitzulaufen, auch allen anderen mitteilen will, daß er da mitläuft. Ich bin also unter Gleichgesinnten. Das ist doch schon mal schön zu wissen. Alle nicht Extrovertierten, die sich beim lesen solch einer Seite fragen warum einer das alles so ausbreitet: Andere Seiten sind nur einen Click weit weg. Gehet hin und findet Eure Seiten.

Ich aber freue mich über andere Berichte, kann ich doch meine "Weisheiten" aus Ihnen ziehen. Und letztlich hilft es vollständig den Überlick über richtig - falsch, sinnvoll - unsinng u.s.w. zu verlieren. Am Ende ist man Anfang (Letztlich ja auch das Ziel von Biel).

Jede Meinung findet sich im Internet, ebenso wie jede erdenkliche Gegenposition. Liest man genug und pickt sich die passenden Stellen raus, so findet man seine eigene Sicht bestätigt. Die Hilfe nach der Art: "so wird das was", muß bei einem solchen Thema wohl auch ausbleiben.
Dann wird aber doch verdächtig oft auf einen Bericht von Werner Sonntag verwiesen. Einmal mußt Du nach Biel.

Wirklich fast jeder zitiert diesen Artikel. Wobei er mal "Einmal kommst Du nach Biel", "Einmal mußt Du nach Biel", "Einmal sollst Du nach Biel" genannt wird. Als gründlicher Mensch (Die die mich kennen hören bitte augenblicklich mit dem Lachen auf, ja?) habe ich mir also bei Amazon das Buch besorgt in dem auch besagter Artikel abgedruckt ist. Ich war wohl zu doof es direkt zu finden, habe es antiquarisch gekauft und bin jetzt im Besitz eines Exemplares, welches sogar eine Widmung des Autors aufweißt. Muß also echt sein.

Und jetzt kommt es: Ich habe den Artikel dann sogar gelesen. Nun bin ich kein großer - auch kein kleiner - Literat, aber vermutlich würden diese Menschen dem Artikel etwas abgewinnen können. Für mich hat sich das ganze gelesen wie die Problemschilderung der Jugend des Autors. Ein paar Verzwickungen zum Lauf von Biel. Warum aber Menschen durch diesen Artikel zu diesem Lauf motiviert werden, oder warum so viele das als gelungene Schilderung des Laufs gesehen wird, kann ich nicht sagen. Vielleicht muß ich erst gelaufen sein, um den Text für mich zu erschließen? Ich werde es sicher hier ergänzen, wenn der Lauf zu einer veränderten Wahrnehmung geführt hat.

Ich denke sowieso, jeder hat seinen Grund da zu starten, Größenwahn, Midlifecrisis, Lust am Laufen, schlechtes Fernsehprogramm, Nebenberuf als Blasenplastertester, Spaß an der Kollegialität unter Läufern,... was auch immer die Gründe sind: Hauptsache man möchte laufen.

Wie es dazu kam : Was trainiert wird : Wieso muß man lesen : Wo der Kopf bleibt

100km - Muß der Kopf mit?

Der Kopf ist mit ca. 5-6 Kg. beim erwachsenen Menschen ein arger Balast. Und das nicht nur als reines Gewicht beim Laufen. Insbesondere die Folgen seiner Inhaltsstoffe (hier im wesentlichen das Gehirn) machen das Laufen mitunter schwierig. Anhalten, hinsetzen, faul sein... das sind häufig folgen zu intensiver Beachtung der negativen Auswirkungen die vom Kopf ausgehen. Bekannt auch als innerer Schweinehund.
Gerade bei einem langen Lauftraining, welches zur Sicherstellung der Versorgung mit Flüssigkeit und Nahrung, wiederholt über die heimatliche Veranda führt, sind die Auswirkungen besonders grrß.

Aber das kennt wohl jeder der läuft, und mal sein Training stark gesteigert hat. Neu für mich ist die intensive Auseinandersetzung mit einem Lauf der noch gar nicht direkt vor der Tür steht. Da steht in der Regel der nächste Trainingslauf und den habe ich im Griff. Dieser Lauf findet erst im Juni statt und mach sich in meinem Kopf breit. Bereits oben habe ich diesem Umstand ein paar Zeilen geopfert, muß mich hier aber wiederholen: Fast alles hat plötzlich einen Bezug zum laufen und jedes Gespräch kann genausogut auch übers laufen geführt werden. Hier bewahrheitet sich: Laufen macht einsam! Keiner hört mehr zu. Und alle für eine Teilnahme zu gewinnen ist utopisch.

So, und nun kommt das Internet. All die Gedanken, die im echten Leben keiner mehr hören will, hier finden Sie Ihr Publikum. Und sicher wird der eine oder andere bis hier gelesen haben. Und das ist gut so. Ziehet hin meine abstrußen Gedanken zu den Einhundert Kilometern von Biel 2006 und verwirrt, begeistert oder nervt diejenigen, die hierhin geklickt haben.