Junfgrau

September 2008



Jungfrau 4.0 – mein erster DNF
Tja, da sitz ich nun wieder in Hamburg, habe die Berge hinter mir gelassen und wie geht es mir? Mies. Es fühlt einfach nur doof und blöd an.

Eifrige Lesser meine Berichte werden sicher schon sagen: „Eh, nach der Ananas Nummer (kuckst Du hier: 100km für eine Ananas oder Hochmut kommt vor dem Fall) war klar, dass Du nicht in 4 Wochen wieder auf die Beine kommst“. Stimmt wohl, aber es war sicher noch mehr. Daher hier der Bericht.

Wie erwähnt bin ich am 08.08.08 100km gewandert und die Nummer war nach 8 Wochen Trainingsverzicht wirklich nicht leicht. 21Stunden haben den Körper richtig schön ausgelaugt. Da aber der Plan war am 06.09.08 den Jungfrau Marathon zu laufen, habe ich die Signale des Körper ignoriert, bin nach 6 Tagen Regeneration wieder in das Training eingestiegen. Immer schön 10km Einheiten. Gern auch mal 2 am Tag. Richtig flott war ich nie. Die Beine fühlten sich immer an wie Gummi. Aber immerhin ich konnte laufen. War ja zuerst gar nicht so klar.

Ich hab immer schön auf Zeichen einer Krankheit geachtet, weil ich ja doch geschwächt war. Nachdem ich aber auch 14 Tage nach dem 100er noch gesund war, dachte ich „Wow, Open Window gut ausgetrickst“. Na Ihr ahnt es schon. Voreilig. Viel zu voreilig. Wenige Tage nach dieser Annahme kam es nämlich. Erst ein Kratzen im Hals, dann Husten, Heiserkeit, fiebrige Beine. Klasse. Noch 8 Tage bis zur Jungfrau. Also nix mehr mit Laufen. Ruhe. Von Training konnte ja eh nicht wirklich gesprochen werden, also jetzt wenigstens halbwegs gesunden bis zum Start.

In diese Zeit fiel auch die Absage von Sven. Eben Vater geworden wollte er lieber bei Frau und Kind bleiben als den Hügel hoch zu rennen. Verständliche Sache das. Würde wohl jeder so machen. Für mich war es aber schon doof. Waren wir doch bisher 3mal in Folge zusammen gestartet und angekommen. Naja, er war immer schon geduscht und gestärkt wenn ich dann kurz vor Schluss über die Ziellinie lief. Aber wir waren zumindest die ersten 10m zusammen gelaufen.

Nun gut, fassen wir zusammen, ich war: untrainiert, nicht wirklich gesund und allein. Aber ich wollte starten.

Am Freitag den 05.09.08 bin ich also in gewohnter Manier um 06:00 am Flughafen Hamburg aufgelaufen um den EASY Jet Flug nach Basel zu nehmen. So wie immer eben. Ob es nun Biel oder die Jungfrau war, immer fing es um 06:00 an einem Freitag an. Diese Gewohnheit hatte es geschafft zu verhindern, dass ich auf die Buchungsunterlagen gesehen habe. Hätte ich mal machen sollen. Denn es gab den frühen Flug nicht mehr. Ich hatte für 21:00 gebucht. Murks. Das würde mich erst gegen 01:00 am morgen des Startes nach Interlaken bringen. Nein, dass ging so nicht.

Eine kurze Rücksprache mit einigen Ticket-Schaltern brachte zu Tage, dass Lufthansa wohl Basel noch Vormittags anfliegen würde, ich hätte aber ca. 2 Jahresbudgets Laufausgaben für den Flug hinlegen müssen. Nun gut, ab in den Shuttlebus zum Hauptbahnhof, ein Ticket nach Basel gekauft (kostete nur das Fünffache des Flugpreise, die Fahrt dauert dafür aber sieben mal so lange).

Bis Basel ging es auch ganz gut, dann Weichenprobleme und den Anschluss verpasst. Diesmal war die Verzögerung mit 30min recht kurz, aber nervig allemal.

Fassen wir erneut zusammen, ich war: untrainiert, nicht wirklich gesund, allein und sowohl genervt als auch ermüdet durch die Fahrt.

In Interlaken das gewohnte Bild. Allerdings habe ich mir am Casino eine blutige Nase geholt, es war zu. Die Unterlagen gab es diesmal im Zelt. Stand ja auch überall, aber ich war irgendwie schon deutlich neben der Spur. Abendessen bei Hooters. Die haben immer Nudelzeugs für die Läufer. Hat Tradition. Dann früh ins Bett. In der Nacht nur wenig Husten, wurde ich doch noch gesund?

Der nächste morgen war richtig schön. Es war Sonnig. Das war nicht unbedingt zu erwarten gewesen und war daher umso erfreulicher. Kurzes Frühstück in der Backpackers Villa. Dann mit leichtem Outfit, aber Windweste und Regenjacke am Gürtel zum Start. Für meine angepeilte Zielzeit von 6:30 stand eine Regenankunft auf der Wetterkarte.

Beim Start kurz noch mit einer Läuferin aus Deutschland geredet. Ersttäter. Aber gut im Saft. Spitzen Marathon Zeiten, gut trainiert. Später wird noch klar warum ich das hier erwähne.

allein am start fahnen halter
09:00 es geht los. Ich will die 10km im Tal langsam laufen. 65min. Bloß keine Energie verballern, die ich später noch brauche. Ich komme mit 63min auch gut im Plan an. Sonst hilft mir ja mein Polar S3 beim einschätzen meiner Pace. Der gute hat aber am Dienstag vor dem Start seinen Geist aufgegeben. Zuerst dachte ich natürlich an eine leere Batterie. War aber schlicht kaputt das Teil. Hatte eine Laufkollegin auch schon. Irgendwann mag er nicht mehr. Donnerstag also das Ding in die Reparatur gebracht und noch schnell einen G3 gekauft. Wollte ich immer schon haben. Und was soll ich sagen? Der G3 ist murks. Jedenfalls hat mir Pace Schwankungen von 3min/km bis 27min/km angezeigt obwohl ich schön gleichmäßig unterwegs war. Aber das nur am Rande.

alphorn
Bei km 10 geht es das erste Mal leicht den Berg hoch. Die ca. 500m bin ich gegangen. Wie gesagt, Kraft hatte ich diesmal nicht im Überfluß, also sparen wo möglich. Oben in Gsteigwiller (oder so) bin ich dann wieder in leichtes Laufen verfallen. Bis Lauterbrunn hatte ich noch drei Berg-Geh-Phasen. Beim Halbmarathon war ich dann schon 15min langsamer als letztes Jahr. Aber eigentlich noch gut in der Zeitentabelle für 6:30 Zielzeit. Meine Hoffnung war unten Kraft gespart zu haben, die mich jetzt die Wand hochbringen würde.

Und hier liegt natürlich ein Denkfehler vor. Wenn man schon am Start keine Kraft hat, dann kann man davon auch keine einsparen. Eigentlich so logisch wie nur möglich. Die Wand zeigte mir diesen Denkfehler dann auch fein säuberlich in jeder Serpentine aufs neue auf. Ich verlor zwar fast keinen Boden gegenüber den anderen um mich herum, aber ich machte auch keinen gut. Hätte ich aber müssen, den ich hatte Null Polster auf den Mann mit dem Besen.

Hier kam mir dann auch die Frau aus dem Starterblock entgegen. Aufgabe. Ich hatte nicht die Zeit für ein Gespräch, aber der trockene Föhnwind hat vielen arg zu schaffen gemacht. Da half auch ewig viel trinken nur bedingt. Immer wieder haben die über Lautsprecher auf die trockene, drückende Luft und den Umstand hingewiesen, viel, viel zu trinken.

Nach der Wand hatte ich dann bis Wengen durchaus noch wieder hoppel Phasen. Ich wusste ja: nur laufen hält den Besen auf Distanz. Ich schwamm auch gut mit den übrigen mit und es keimte Hoffnung. Sollte ich wider erwarten doch eine Chance haben hier heil rauszukommen?

Wengen lag hinter mir. Wir schrieben km32 als ich das knarren eines langsam getretenen Mountainbikes hinter mir hörte. Dann waren sie auch schon da die Worte der Anderen: „Eh Du bist zu früh dran“. Doch der Besen Mann hatte anscheinend ein Diplom in Vernichtungspychologie, er erwiderte nur knapp: „Das denken alle die zu lahm unterwegs sind“. Genau, bau uns auf. Penner.

Bis km 34 konnte ich mich wehren. War sogar noch kurze Zeit wieder vor dem Kerl. Aber – ich erwähnte es bereits – Kraft war nicht mehr da. Und so lies ich ihn dann auch beim km 34 ziehen.

Und nun? Raus war ich schon mal. Sollte ich deswegen die Mundwinkel hängen lassen. Nö. Ist doch auch Spaß den Berg so hoch zu laufen. Also weiter. Bei km 35 wurde es ein wenig flacher. Ich sammelte etwas Kraft und hatte so ab km 36 einen runden Tritt. So konnte es weitergehen. Zielzeit neu war auf 7:00 eingestellt. Aufgeben? Hey, wer bin ich denn.

Dann der Abzweig Wixi. Viele Leute. Ein ziemlich deutlicher Absperrzaun. „Hallo, meine Name ist Hans-Peter, ich bin der Rennarzt und der Verantwortliche hier. Wie für alle anderen hier, ist für Dich das Rennen hier vorbei, wir wollen Euch nicht allein auf die Moräne lassen. Bitte fahrt mit der Bahn hoch“. Ach Du heilige Sch…

Was nun? Den wilden Max machen und auf, freies Land, freier Wanderweg, laß mich durch, ich weiß was ich tue, markieren? Eigentlich doof. Ich will ja auch wiederkommen dürfen. Aber der Schock sitzt tief. Gut auf dem letzten Streckenabschnitt gab es für uns Nachzügler schon kein Futter mehr. Aber das hatte ich vorausgesehen und hatte reichlich Wasser, Gel und sonstiges am „Mann“. Natürlich zusätzlich zu den 93kg, die ja allein für weite Strecken ohne Verpflegung taugen.

Nein, ich wollte keinen, Streit. Man wollte mich auf einen Wagen setzten und zur Bahnstation fahren. Nein, ich war ja nicht kaputt. Ich durfte nur nicht weiter. Also bin ich die 1,5km noch allein gegangen.

Oben habe ich geduscht. Man hatte mir eine Medaille und ein Shirt (ohne Finisher) gegeben. Ich duschte. Oben. Wie all die Jahre. Aber ich war keiner von denen. Ich war mit der Bahn gekommen. Ich konnte nicht bis nach oben gehen. Hier begann der Schmerz.

Alle die mich kennen wissen, der wäre da oben angekommen und wenn er sich den Rest mit den Zähnen hochgezogen hätte. Aber das konnte ich nicht, das sollte ich nicht. Und das nagt bis heute zu diesen Zeilen an mir.

Nach dem physischen Einbruch beim Ananas sammeln in Belgien folgte nun der psychische Einbruch. Ha, zwei Katastrophen in nicht mal 5 Wochen. Wow, was für ein Jahr. Es fühlt sich bis heute nicht gut an. Ich weiß es war das richtige NICHT an der Rennleitung vorbei weiterzugehen. Aber verdammt noch mal, es fühlt sich nicht gut an. Die Blase der Ananas war ein Schmerz der verging. Dies Ding hier zwickt mehr. Ich werde noch lange an meinem ersten DNF zu tragen haben. Egomanen habens nicht so mit Niederlagen.

oben im nebel
Wenn Ihr mich also mal seht und mich richtig runterziehen wollt: Sprecht mich gern mal auf die Jungfrau 4.0 an. Den Tag als alles so kam wie es kommen muss, denn fassen wir noch ein letztes mal zusammen:

Da bleibt man zu Hause im Bett und macht nicht so was, oder wenn man es macht, kommt es so wie eben beschrieben. DNF!

Ach ja, in 08 laufe ich erstmal nichts mehr. Und in 09 sicher nicht wieder so irre viel wie in 08. Ich versuche einfach mal dazu zu lernen. Mal sehen wie sich das anfühlt.