Jungfrau 7.0

September 2011

Zum 7ten Mal die Jungfrau

Moin,
JFM Release 7.0 - Wird eh nichts Edition

Wie fangen meine Berichte immer an? Genau. Mit einer Liste der Dinge, die vor dem Start schon kaputt waren und/oder einem Training welches nicht stattgefunden hat. Ich tendiere dazu das diesmal wegzulassen. Ich wiederhole mich ja sonst. Auf der anderen Seite war es schlimmer als zuvor. Daher ganz kurz das übliche: Wohl ausgelöst durch die Treppe (21:40 std.) und 14 Tage später den Brocken (ebenfalls 21:40std.) war ich immer in einem ausgelaugtem Zustand. War da nach dem Brocken und ging nicht wieder weg bis heute. Ebenso war das linke Knie ein dauernder Schmerzsender. Begonnen hat das beim Winter-Hexenstieg-Versuch und ging auch nicht weg. Nö, wurde sogar schlimmer. Kurz vor dem Start zur Jungfrau kam dann noch ein dicker Fuß am linken Bein hinzu.

Im Sinne des Schlussläufers war ich also vorbereitet.
Vernünftig wie ich nun mal bin habe ich aber diesmal gesagt: Wird ein Genußlauf. Ich komme soweit wie ich komme und dann ist Schluss. Kleine Scheidegg wäre nett, aber ist in 2011 nicht erreichbar. Also war ein mögliches Ziel, später vom Besenwagen eingeholt zu werden als in 2010. Z.B. erst in Wengen. Das war zwar mehr oder weniger utopisch, weil mich bei meinen letzten Läufen - bedingt durch Knie und Fuß und die daraus resultierende merkwürdige Laufhaltung - immer nach ca. 3-4km mordsmäßige Krämpfe heimgesucht haben. So gesehen wären die flachen 10km im Tal ein Ziel.

Aber was solls. Interlaken ist nett. Die Stimmung dort gut. Der Flug bezahlt, die Unterkunft gebucht und Tessa in ähnlich hervorragender Verfassung. Sterben im Team! Ein schönes Motto.

Die Anreise verlief verdächtig Glatt. Flug OK. Bahn fuhr noch. Zimmer für den richtigen Tag reserviert. Komisch. Muss an Tessa gelegen haben. Unterlagen waren fix am Mann. Und das obwohl man diesmal denken musste. Nämlich daran seine Startkarte auszudrucken und mitzubringen. Solche Neuerungen sollte man alten Männern eigentlich nicht mehr zumuten. Könnt Ihr Veranstalter das bitte in Eure ToDo Liste aufnehmen? Nix ändern. Keine Verlagerung von Startbereichen (Biel), keine anderen Abläufe im Versand der Unterlagen (Jungfrau), ich bin zu alt für so was!

Am Samstag stand ich dann mit Tessa vorn hinter den Elite Läufern. Wie immer wurde ja der Besenwagen auf Bruttozeit Niveau gestartet und dann haben Krüppel nur bei Brutto gleich Netto den Hauch einer Chance. Ich sah aus wie ein.. ja wie? Keine Ahnung, seht selbst:

Bandgiertes Bein
Schon lustig, wenn direkt mit dem Startknall der mentale Fokus in die Wade rutscht. Wird Sie hart, wird Sie hart… Sie rührte sich. Aber durch einen Laufrythmus: Gerade, Innenkante, Gerade, Außenkante, Gerade….Durch den so wechselnden Schmerzverlauf wurde eine punktuelle Verhärtung zunächst erfolgreich verhindert. Ich würde gedanklich weiter im Bereich Wade bleiben und das Ganze beobachten. Neben der Vermeidung von totaler Wadenverhärtung galt es zusätzlich den Besenradler auf Distanz zu halten. Sub 65 für die ersten 10. So lies sich der Plan darstellen. Nicht ganz leicht, wenn man einen eierigen Laufstil pflegen muss und die untrainierte Lunge auf der letzten Rille pfeift. Irgendwie hat es dann aber doch in etwa gepasst.

Ich war aus dem Flachen raus und würde zumindest sagen können: Ich war in den Bergen laufen. Denn nach der Holzbrücke ging es nun bergan. Ich wusste, dass bergauf die Wade komischer Weise etwas mehr Ruhe geben würde. Mit der Betonung auf etwas. Zumindest konnte ich wieder etwas gerader Laufen. Laufen? Ja richtig. Ich lief. Ich lief sogar bergauf. Nicht schnell. Klar. Das war nicht anders zu erwarten. Aber in einem steten Trott ging es zunächst im Schatten zum Ortseingang, dann durch den Ort, dann in der Sonne hinaus nur um dann als bald wieder im Schatten zu verschwinden. Der Bach kam. Zweilütschienen. Immer noch lief ich. Zeitlich konnte ich das alles nicht mehr richtig einsortieren, war aber auch egal. Nächste Etappe wäre nun Lauterbrunn.

Der sanfte Anstieg am Bach bevor die Asphaltsteigung vorm Parkhaus kommt. Ich war noch dabei. Gehpausen hatte ich schon. Aber relativ kurze. Ich soff wie ein Loch an den Verpflegungsstellen. Immerhin war bomben Wetter, die Sonne war ausgesprochen warm, was ich ja mag. Daher war trinken wichtig und es meinte doch irgendwer viel trinken hilft auch der Wade. Der Wade vielleicht, aber ich hatte das Gefühl die Plörre stand schon im Hals. Bei heftigen Schritten war der Mund wieder voll. Ich sollte innehalten mit der Flüssigkeitszufuhr.

Lauterbrunn. Soweit hätte ich gar nicht kommen dürfen. Aber ich war da. Noch im Rennen. Nun denn. Dann also hin zum Halbmarthon. 2:35 für den Halben. Gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt was für ein Körperschrott hier am Laufen war. Da der Besenwagen noch hinter mir war ging es also weiter. Es sollten ja ein paar tendenziell abwärts gerichtete Meter kommen bevor es nach der Überquerung des Baches flach wurde. Das half ein wenig. Allerdings war jetzt wieder Wadenkrampfvermeidungseiern angesagt.

Helicopter Station. Yepp. Wegen mir sollte der heute nicht starten. War mein Plan. Auch wenn andere ja im Vorfeld meinten ich sollte da mal mit rechnen. Gut, könnte ja noch kommen. Noch aber war es nicht soweit. Wir waren wieder am Bach und bald würde die letzte Futteraufnahme vor der Wand auf uns warten. Aber noch bevor wir dort waren schnappte uns bei km 25 der Besenradler. Ausgesprochen unhöfflich - wie auch im letzen Jahr - blöckte er uns ein "Ihr nehmt dann die Bahn" zu. Tja, lieber Besen Radler. Hätten wir vielleicht sogar gemacht, weil wir ja beide fix alle waren. Aber Deine dumm pampige Art hat uns dermaßen genervt, dass wir ein gemeinsames Denkste gehaucht haben und zumindest noch die Wand machen wollten. Für den Besenknecht wäre sicher ein Retorik Seminar mal ein schönes Weihnachtsgeschenk. Ist gar nicht so schwer sich mental auf erschöpfte Läufer einzustellen. Auf Menschen, denen es gerade nicht so gut geht, weil ein Wunsch den Sie hatten nicht in Erfüllung gehen wird. Ein bisschen feinfühlig. Ein bisschen nett. Ein Satz wie: Mensch Schade es reicht leider nicht für Euch, aber immerhin könnt Ihr ja mit der Bahn noch hochfahren. Das wäre schon ein Anfang. Wobei, letztlich, auch egal. Vermutlich muß man eh einen mentalen Knacks haben, wenn es einem Spaß bringt Leute aus dem Rennen zu nehmen. Dann ist diese Art der Kommunikation schon OK.


Wir kamen also an die in Auflösung begriffene Futterstelle. Griffen ab was noch rumlag. Gut gestärkt bogen wir um die Ecke. Senkrechter Asphalt lag vor uns. Gefühlt jedenfalls. Hoch da war das Motto. Ich hatte die Idee heute die hektische Schnappatmung der ich hier immer anheim fiel durch eine Bewusste Tiefenatmung zu ersetzen. Da ich aber mächtig Sauerstoff brauchte, bei einer Tiefenatmung viel rein und auch wieder raus muss, war das Ganze ein gar lustig Schauspiel. Schien aber besser zu funktionieren als die Schnappatmung und so kam ich für meine Verhältnisse flott die Wand hoch. Letztes mal hatte mich noch schwarze Wegschnecken überholen können, diesmal brauchte ich nur grüne Raupen zu fürchten.


In der Wand konnten Tessa und ich noch die zweite gute Tat des Tages erledigen. Die erste war die Rauppenrettung auf der Höhematte und wird vermutlich nicht von jedem als solche gesehen. Aber die Rettung des Patrick ist unumstritten als "Nett" zu titulieren. Besagter Mensch saß mit nicht vorhandener Gesichtsfarbe am Wandrand und konnte nicht mehr. Er war ansprechbar aber nahezu bewegungsunfähig. Wir haben ihn überreden können auf uns gestützt wieder ein Stück bergab zu gehen wo ein Unterstand war. Dort konnte er sich hinlegen und die Füße hochlagern. Hatte einen positiven Effekt auf die Gesichtsfarbe.


Wir stapften weiter durch die Wand. Man hörte von der Sanistation die traditionelle Musik von Pink Floyd. Einige brauchten noch den Zusatz "The Wall" würde man hier häufiger hören um wieder im Film zu sein. Hihi. Sonne und Erschöpfung sind böse Kumpane. An dieser Stelle auch noch mal mein herzlichen Dank an Tessa. Sie ist bei dem alten Mann geblieben. Schon im flachen Stück in Lauterbrunn war klar, bei Ihr lagen noch mehr Körner im Napf. Es wäre ein leichtes gewesen mich stehen zu lassen. Hat Sie aber nicht gemacht. Danke.


Wir näherten uns genüsslich Wengen. Um uns herum waren noch ein paar andere. Aber es war schon leer. In Wengen lagen keine Matten zur Zeitnahme mehr, die Zuschauer waren weg. Kräfte mäßig hätte man noch über eine Wanderung zur Scheidegg nachdenken können. Aber die Sorge um einen dann eventuell nicht mehr vorhandenen Kleiderbeutel und einen bereits eingestellten Bahnbetrieb nötigten uns in die Zahnradbahn einzusteigen.


Oben auf der Scheidegg war bomben Stimmung. Schade nur, dass wir aus der falschen Richtung oben angekommen sind. Leider gab es auch keine "nicht geschafft" T-Shirt. Uns wurde ebenfalls ein Finisher T gereicht. Ist aber für den nicht Ankommer untragbar. Mal sehen ob ich da noch ein Edding upgrade vornehmen kann.


Ich werde in 2012 erneut dabei sein. Ich sag jetzt mal nicht, dass es besser Laufen wird. Aber der Plan wäre so.



Angekuckt von Neugierigen