K78 2012

Mission K78 - 87K(g)

Moin,

K78….es sind noch wenige Wochen. Bis zum Start. Zum Start ins ungewisse. Ungewiss ist auch ob ich es gut finde, dass es noch wenige Wochen sind. Zu wenige zum fit werden? Zu viele um gesund zu bleiben? Schön zu sehen, dass die Nervosität vor einem solchen Event auch mit der bereits gesammelten Erfahrung nicht abnimmt.
Warum auch? Immerhin bin ich so was in der Form noch nicht gelaufen. Und so ein platter 100er lässt sich eben nicht in einen Hoch und Runter übersetzen. Also ist es ein dunkles ungewisses Loch. Ein Loch, welches ich traditionell mit meinem "ich schaffe das" gemurmel zu erleuchten versuche. Und diese Murmel Licht fürs Dunkel, dieses Licht funktioniert immer besser. Angefeuert von den positiven Erfahrungen der Vergangenheit brennt es heller. Und die Löschversuche meines fortschreitenden Alters und der schmerzenden Fortbewegungselemente meines Körpers konnten bisher erfolgreich abgewehrt werden.
Wobei ich zugeben muss, dass Kollege Wade sich da mächtig ins Zeug legt. Wahrscheinlich habe den rechten Wadenmuskel mit dem Eulenburgtrail ein wenig verärgert. So sehr, dass er sich bei einem kurzen Antritt über eine Straße rächte. Aber hatte ich eine Wahl? Nein. Weder hätte ich auf den Eulenburgtrail verzichten können. Der war wichtig für meinen "ich schaffe das" murmel Faktor. Noch hätte ich den Antritt lassen können. Denn dieser war notwendig um die Distanz zu einem herannahenden PKW zu wahren. Nicht antreten in einem solchen Fall kann zu Blechkontakt - halt war ein neues Auto -, Plastikkontakt der unangenehmen Art führen. Also trat ich an. Nicht schnell. Schnell genug. Aber eben nicht schnell. Immerhin hatte ich bereits 23km in den Waden. Und es war Nacht. Was bedeutet sowohl ich als auch der Lenker des besagten PKW waren nicht mehr frisch. Antritt. Genau. Und das hatte direkt eine spontan Verfestigung meiner Wade zur Folge. Ping. Und aus dem Tonus-schwachen Glibber wurde eine steinharte Masse. Allerdings nicht ohne noch hinreichend starken Kontakt zu den reichlich vorhandenen Schmerzrezeptoren aufzunehmen.
Besagter PKW Lenker muss sich vor lachen gebogen haben. Ein Jogger in eher schleichendem Tempo überquert vor ihm die Straße. Ohne das er ihn mit seiner vor Plastik strotzenden Karosse berührt hätte, bäumt sich der Jogger plötzlich auf. Als ob sein Bein durch übergießen mit flüssigem Stickstoff spontan zur Eisprotesse geworden ist, nimmt er die letzten Meter über die Straße in einer Mischung aus hinken und einem eleganten Stockschwung des neuen Eisbeins.
Ich allerdings konnte der Sache nicht so viel Heiteres abgewinnen und erreichte - zwar sicher - aber schmerzverzerrt den rettenden Kantstein. Ich schleppte mich zum nächsten Gartenzaunpfosten und dehnte. Der Erfolg war mäßig. Noch war das Bein gefroren und an eine andere als eine 100%ig gerade Position war nicht zu denken. Ich gehend schwang ich das steife Bein in lockerer Außenrotation um meinen Körper und bewegte mich langsam weiter. Nach ca. 500m konnte ich eine, einem abrollen ähnliche Gehbewegung einleiten. Weitere 500m später versuchte eine dem joggen ähnliche Prozedur. Es war Nacht. Und so sah keiner diese kläglichen Versuche. Zum Glück war mein Heim nicht mehr weit. Warmes Duschen, diverse Kräutercremes und andere Hausmittel sollten der Wade eigentlich helfen. Haben Sie aber nicht. Mein extravagantes Gangbild blieb mir noch lange erhalten.
Gestern stand dann ein, "egal, dann laufe ich eben mit Zement Wade" Lauf an. Nach dem Start dachte ich, lass die Wade warm werden, dann geht es besser. Als die Wade warm war, dachte ich, lass die Wade müde werden, dann kann die die Spannung nicht mehr halten, als die Wade müde war, dachte ich, lass dir die Wade operativ entfernen, dann spürst du sie nicht mehr.
Alles in allem kein sonderlich guter Lauf. Keine Körner auf der Pfanne des "ich schaffe das" Gerichts. Eigentlich dumm. Weil ja alles ungewiss ist. Weil es ja nicht mehr lange ist. Und weil es gut wäre ein sattes fettes "ich schaffe das" Mal auf dem Teller zu haben. Weil es ja nicht mehr lange hin ist. Auf der anderen Seite ist es eigentlich auch egal. Egal, weil das Mal so fett sein kann wie will. Es wird im Kopf immer den Zweifler geben. Egal, weil immer noch was kommen kann. Die andere Wade könnte sich anstecken. Der Fuß umknicken, das Knie aufgeben, die Schulter blockieren… Ja, der Körper hat viele Stellen und jede hat Ihren Reiz. Also halte ich fest: Es ist egal. Und weiter halte ich fest "ich schaffe das".
Fein. Diese paar Zeilen Reflektion haben also mal wieder geschafft, was ein Lauftraining nicht schafft. Ein klares Bild. Ein Bild was sagt, trainier was Du willst. Es ist egal. Weil Du schaffst das. Egal was Du machst. Egal was passiert. Ich schaffe das.
Was ich an dieser Stelle noch erwähnen sollte, weil ich es bereits geschafft habe, ist die Mission. Die Mission 87kg. Ohne Mitgliedschaft im hiesigen Ortsclub der Gewichtsbeobachter habe ich mich von ca. 13kg meines Körper getrennt (nein, die Wade ist noch dran). An allen möglichen Stellen fehlen mir jetzt Bioprenpolster und selbst meine Umwelt nimmt die fehlenden Stellen wahr.
Aus rein gewichtstechnischer Sicht müsste ich also die Hügel in Davos empor schweben können. Und in diesem speziellen Fall ist die kurze Restzeit bis zum Start auch ein Segen, denn ich denke in den verbleibenden Wochen werden die verlorenen Körperteile nicht wieder nachwachsen. Nun kann ich nur auf einen heißen Tag am Berg hoffen, denn das fehlende Biopren lässt mich auf meinen nächtlichen Läufen schon zittern (was im übrigen wieder zum Verlust weiterer Polster führen soll, so die Theorie). Bleibt erneut festzustellen: Ich schaffe das!