Moin Herr Boning,
nachdem mir Gott und die Welt nahe gelegt hatten das Buch eines Nachtläufers endlich zu lesen, weil es wohl im Wesentlichen von meiner Art Sport zu treiben handelt, habe ich es irgendwann bestellt und letztendlich sogar gelesen. Laufens handeln. Hier nun mein Lese-Erfahrungsbericht.
Es lag schon lange zurück, dass ich ein Buch in einem Rutsch gelesen habe. Kinder, Beruf, Laufen, Sie kennen das. Da ich bei diesem Werk gleich von Beginn an dachte ich sollte Sie wegen Diebstahl eines Lebens verklagen, laß ich es an einem Stück. Am Ende fanden sich dann schon einige Abweichungen, aber der Grad der Ähnlichkeiten ist schon interessant.
Lustig eigentlich, denn ich bin weder im Show Geschäft noch würde irgendwer auf dieser Welt mich als musikalisch bezeichnen. Auch laufe ich eher bekleidet, gut bekleidet sogar, weil ich eine Frostbeule bin.
Zunächst muss ich natürlich anerkennend meinen nicht vorhandenen Hut ziehen vor den erreichten Zeiten. Ich bin beeindruckt, aber so was von. Unter 3:30 auf den Marathon. Spannende Sache das. Ich bin nach wie vor eine Stunde langsamer und ich denke das wird auch so bleiben. Es bleibt wohl den kurzen leichten Menschen vorbehalten so flott zu rennen. Als ich mich im Herbst 2003 entschloss mal einen Marathon zu rennen hatte ich die 90Kg ebenso überschritten wie die 40Jahre.
Der Anfang meines Laufens war geprägt von einer gewissen Unvernunft - andere nennen es Größenwahn - die sich bis heute Ihrer gewohnten Frische erfreut.
Mein Einstieg in die Welt des Laufens war ein: Holt Ihr mich morgen auf dem Weg zu arbeit bitte mal ab, ich will abends nach Hause laufen. 10km. Untrainiert natürlich, aber mit der Gewissheit im Bauch das es klappt. 10km. Ohne Training. Ohne Gehpause. 65min. Wenn das nichts war. Also 2 Tage später morgens hin zur Arbeit und abends wieder nach Hause. Auch das ging. Also 2 mal die Woche hin und her. Ging gut für ca. 4 Wochen und dann meldeten sich die Knie. Treppe runter war ein richtiger Spaß. Allerdings nur für die Lachenden, nicht für mich. So abrupt wie das Laufen begann, endete es auch wieder.
Das Projekt Laufen lag auf Eis. Und entschwand so langsam aus dem Blick. So ging der Herbst ins Land, der Winter kam und zum Jahreswechsel erinnerte ich mich an den Marathon. Der Januar hatte dann wieder kurze Laufeinheiten. Im Februar auch ein paar. März ein paar mehr. So kam ich bis Ende April auf ca. 250 gelaufene km.
Ende April, ich stand im Feld mit 18000 anderen. Und mit Jeanette. Alle schienen besser vorbereitet als ich. Jeanette auch. Macht nichts. Wir wollten zumindest zusammen starten.
Im Geiste wabberte eine Zeit von 4 Stunden. So lief ich dann auch los. Erstmal ein wenig flotter. In meinem Fall 5:40. Langsamer würde ich von selbst. So der Plan. Noch nie war ich mit so vielen Zuschauern unterwegs gewesen und das trug mich eine ganze Weile. Am Fischmarkt war ich tief beeindruckt. Abertausende trieben die Meute vorwärts. Es war noch Kraft in meinen Muskeln um sich treiben zu lassen.
Ups, eine leichte Steigung. Ich wurde etwas langsamer. Merklich langsamer. Na ein Viertel der Strecke hatte ich ja schon. Im Tunnel am Hauptbahnhof die Laola der Läufer. Wozu brauchen wir Publikum, wir wellen uns selbst. Sehr beeindruckend. Schön, dass hatte ich also erlebt und konnte es nicht mehr verlieren.
Verloren hab ich dann auf dem Jungfernstieg Jeanette. Sie zupfte immer schon ein wenig nach vorn. Eine kurze Diskussion über Freundschaft, gemeinsames Laufen, persönliche Ziele und ähnlich grundlegende Dinge und ich hatte Sie überredet nicht auf mich zu warten und Ihr Tempo zu laufen. Ich war eh am Ende.
Halbmarathon. Das Ganze noch mal? Das kann ja noch was werden. Alte Wöhr. Es geht bergan. Ein Alpenländer würde mich für dieses "bergan" sicher auslachen. Aber als nicht ausreichend Trainierter empfand ich den stetigen Gewinn an Höhe als dramatisch. Mittlerweile schoben sich Gehphasen an den Tränken in meinen Laufstil. City Nord. Kollegen sehen mich und schreien: Du siehst gut aus. Ich schreie zurück: Ihr braucht dringend ne Brille.
Später wird mir von Wetten gegen mich berichtet. Keiner setzte einen Pfifferling auf mich. Ich muss so dermaßen frustriert aus der Wäsche geblickt haben. Keiner traute mir ein Finish zu.
Ab km 30 bin ich häufiger gegangen. 4 Stunden waren längst Geschichte. Aber ankommen wollte ich. Nachdem dies mein einziges verbleibendes Ziel war ging es mir erstaunlich gut. Ich war langsam, aber das war OK. Ich war im rennen und das zählte. Mental so gestärkt näherte ich mich dem Ziel. Am Ende geht's noch mal leicht bergauf. Ich lief und wurde von Gehern überholt. Auch das hatte keinen negativen Einfluss mehr auf meine Moral. Ich war nur noch 1km vom Ziel entfernt und mich konnte überholen wer will. Ich würde bei einem Marathon das Ziel erreichen. Knapp unter 5 Stunden. Keine Glanzleistung im Sinne des Leistungssports. Vielleicht nicht mal ein echter Marathonlauf, weil ich ja auch Gegangen bin. Für mich dennoch ein Sieg. Ich hatte es geschafft. Mochte die Welt denken was Sie will.
Ich sprach es nicht aus, aber ich wusste: Ich bin infiziert. Das würde nicht der erste und letzte Marathon sein. Nein es war der Beginn von irgendwas. Das Irgendwas war erstmal eine Laufpause den ganzen Sommer über. Komisch. Laufen machte mir Spaß. Aber ich lies es dennoch ruhen.
Im Herbst ging es dann wieder los. Antizyklisch. Alle anderen beendeten Ihr Training. Reduzierten die Umfänge. Ich fing an. Jahreszeit bedingt war es meist dunkel wenn ich lief.
Die restliche Familie war leicht angefressen, dass ich lief. Es kostet Familienzeit. Zusammen mit : es ist dunkel wenn ich laufe entwickelte ich einen Plan. Dunkel ist es die ganze Nacht. Ob ich also um 18:00 oder um 23:00 loslaufe macht keinen Unterschied. Aber um 23:00 ist der jüngere Teil der Familie lange und der ältere Teil gerade im Bett. Dann stört es nicht, wenn ich noch laufen gehe.
Mein Training begann fortan in der Regel zwischen 22:00 und 23:00 Uhr. Die Umfänge lagen zu dieser Zeit noch zwischen 10 und 20km.
Eo lief ich dann durch die Nacht und hatte Zeit zu planen. Hamburg, sowieso, aber eine Herausforderung sollte doch auch zu finden sein. Marathon bergauf las ich in einer der zahlreichen Magazine die ich regelmäßig verschlang. OK. Guter Plan. Bergauf waren es knapp 2km, Flach 42 und ein Kecks. Irgendein Tool im Internet übersetzte das zu einem Belastungsäquivalent von 56km flach. Gebucht. Ich war angemeldet bei der Jungfrau.
Hamburg ging mit neuer persönlicher Bestzeit in die Geschichte ein. Ich war 60Sekunden schneller. Immer noch knapp unter 5 Stunden.
Jede Quelle die ich finden konnte bezeugte: Mit dieser Zeit kommt man bei der Jungfrau nicht ins Ziel bevor es dicht ist.
September. Ich stehe in Interlaken. Ein Knall zum Trommelfell zerfetzen. Ich laufe. 10km flach. Ha, wer sagt die Jungfrau ist schwer. 15km leicht bergan. Oh es zwickt. Die Wand. Spinnen die? Da hoch ohne Kletterseil? Es geht steil nach oben. Ich gehe, krieche. Das sieht aus wie das Ende. Aber warum jammern, ich wollte ja einen Bergmarathon, hier war er.
Ich verlasse die Wand. Herrliches Bergpanorama. Ich bin total erledigt, gehe wie fast alle um mich rum, genieße die Aussicht, trinke Bullion und Cola im Wechsel, futtere Gel und bin nach 6:36 knapp vor dem Besenmann im Ziel. Geschafft. Der Schlussläufer ist geboren.
Marathon flach, Marathon bergauf. Beides nicht schnell, beides geschafft und nun? Biel. 100km. Ok. Auch da geht die Anmeldung schneller als der Lauf.
Der Kopf bewegt die 100km lange. Die Vorbereitung läuft, weil laufen ja wichtig ist für einen Lauf. Aber noch wichtiger scheint hier, beim laufen zu denken. Biel denkt man primär, laufen ist sekundär. Oder? Doch guter Plan. Hauptsache man will ankommen. Ja will ich. Notfalls in 20Stunden.
2000 Leute. Das kleinste Feld in dem ich bei einem Marathon je stand. Sollte es nur so wenig Verrückte geben. OK. Neben mir standen ja noch bekannte Verrückte. Bis km 56 (Kirchberg) wollten wir im Team laufen.
Die Nacht der Nächte begann. Bergauf gehen, Pace nicht schneller als 6:30, besser 7:00. Viel Essen und trinken. Guter Plan. Begeisterung in den Dörfner. Eröffnungsspiel der WM, aber was ist schon Fußball im Vergleich zu Biel?
50km. Ups, das ging ja doch recht schnell bis hier. 56km Kirchberg. Das Team bricht. Sven pausiert und kommt nach. Hoh Shi Min Pfad. Die km fliegen. Zu schnell? Kann sein, aber es läuft doch so toll. 70km. Tatjana gibt mich frei, ich soll laufen. Ich laufe. Der Berg von Arch. Ich gehe. Die Sonne brennt. Oben. Ha das wars ja wohl. Ich laufe. Der Weg an der Aare. Die Sonne brennt. Ich gehe. Boh ist das lang und staubig. Ich trabe wieder. Eine Kurve. Was ist das? Ein Berg. Mist hatte ich gar nicht mehr auf dem Zettel. 90km und noch ne Steigung. Egal. Weiter. 95km. Das wird was, ich komme an! 99km sind 14std noch drin. Letzter km. Ich laufe 6:00 die Zeit wird knapp, ich lauf 5:00, reicht nicht noch schneller. Ich bin bei 4:30 und das nach 100km. Am Ende 14:00 und 32 lächerliche Sekunden. Ich bin da. Biel ist mein.
Und jetzt? Ironman. Wo? In Roth. Schöne Gegend, klasse Stimmung und noch freie Plätze. Angemeldet war ich schnell. Ups Ermüdungsbruch nach Biel (Jungfrau ging damit gerade noch) Entzündung im Winter. Trainingspause. Aber die Anmeldung steht. Januar das Training beginnt. Noch 6 Monate.
Radfahren. Wie anstrengend das doch sein kann. Und der Verkehr. ERGO Meter ins Dach. Viel besser. Glotze an und radeln. Schwimmen? Kraulen? Ne, ne das wird nichts. Brust geht auch. Ist ja viel Zeit. Laufen? Ne erstmal das mit dem Rad. Ist ja die längste Strecke.
Es geht los und ich habe knappe 1100km auf dem ERGO Meter, 220km auf einem echten Rad, 5 mal schwimmen (Brust, was sonst) und 400km gelaufen. Damit sollte es funktionieren.
Der Plan: Schwimmen in 1:50, Radfahren in 7:00, Laufen in 6:00, Wechselzone jeweils 5 Min macht 15Stunden. Länger ist nicht in Roth. Also ab damit.
Das Rennen. Schwimmen 1:37. Radfahren 6:59. Laufen 5:48. haha passt doch. Wechselzonen waren jeweils langsamer. Aber ich war wieder - mittlerweile gab es schon www.schlusslaeufer.de - als einer der letzten im Ziel.
Das waren die Eckpunkte meiner Laufzeit bisher. Training meist nach 21:00. Allein, oder als: Laß mal 8 Runden um die Außenalster laufen Jekeltat auch im Team.
Warum diese Zeilen? Boning hat abstruse Vorstellung von Training und laufen. Ich auch. Biel. Der Boning war da noch nicht. Wollte aber mal. 2008 ist die 50zigste Auflage. Ich bin wieder dabei. Wir laufen im Team. Langsam bis Kirchberg. Danach vielleicht weiter im Team oder auch nicht. Wir würden den Boning adoptieren. Also? Dabei?
Gruss
Der Schlussläufer alias Tante Elfriede