Hamburg 2008
Moin,
Der Dritte Bericht aus der „- Doch das Ziel ist Biel“ Serie, die beide anderen sind unter der Rubrik Ultramarathon zu finden
50km von Oldendorf - Doch das Ziel ist Biel
75km LüHa Fun Run - Doch das Ziel ist Biel
Der Marathon in Hamburg sollte nur ein Trainingslauf für Biel sein. Und mehr wurde es auch nicht.
Damit könnte der Bericht bereits hier ein unverhofftes Ende finden. Einige Fragen könnten dann aber offen bleiben, oder auch nicht, weil sie vielleicht nie gefragt würden. Mitteilsam wie ich bin, möchte ich aber im Folgenden die Antworten auf die vielleicht zu stellenden Fragen geben.
Warum wurde Hamburg nicht mehr als ein Trainingslauf?
Nun einmal war er nur so geplant, aber auch als Trainingslauf hatte ich Ziele die jetzt als „nur" Trainingslauf nicht erreicht wurden.
Was waren die Ziele für Hamburg?
Na im Prinzip wieder eine Staffelung von Zielen. Am Anfang steht immer ankommen. Das habe ich auch erneut und ohne Schmerzen geschafft. Aber ich dachte ehrlich ich könnte auch in 4:30 ankommen. Als Trainingslauf. Vor zwei Jahren – als es das erste mal nach Biel ging - habe ich in etwa den gleichen Laufumfang in den Beinen gehabt als der Hamburg Marathon anstand. Ich lief 4:23 oder so. Tja diesmal hätte also von der Papierform her 4:30 auch funktionieren müssen.
Was lief schief?
So jetzt kommt quasi die Lange antwort, die den eigentlichen Bericht widerspiegelt.
Angefangen hat es wohl mit der Silberhochzeitsfeier am Abend vorher. Ich trinke zwar keinen Alkohol, aber ich war länger wach als ich es normalerweise bin, ich habe später gegessen als ich dies normalerweise tue. Damit habe ich dann auch noch schlechter geschlafen als ich das normalerweise tue…und so war ich am 27.04.08 morgens hundemüde als der Wecker klingelte. Ich gähnte oft und ausgiebig, man hätte sicher den Bananenvorrat eines ganzen Verpflegungspunktes in die gähnende Futterlucke stecken können, so müde war ich. Aber gut, es war der Morgen des Rennens und ändern konnte man jetzt nichts mehr.
Die Sonne schien als ich das Haus verließ, sie schien, als ich in die U-Bahn stieg, sie schien als ich meinen Kleiderbeutel abgegeben habe. Sie schien nicht doll genug als das ich Knallerbse meine Kappe aus dem Beutel genommen hätte bevor ich ihn abgab.
Aufgefallen ist mir diese Dämlichkeit als ich müde im Startblock stand. Mist, Kappe vergessen, und die Sonne scheint. Gut, auch das war nicht mehr zu ändern. Wärme – so dachte ich – macht mir ja nichts aus. Sonne demnach auch nicht.
Irgendwer fing an die Nationalhymne zu schmettern. War ich falsch? Stand ich doch nicht im Marathonstart sondern auf einer Kundgebung des Politbüros? Das kannte ich ja nun gar nicht aus den vergangen Jahren. Tja das Leben bietet viele Überraschungen. So gab es auch keinen Startschuss – Waffen sind auf dem Kiez nicht erlaubt – es läutete eine Glocke. So sei es.
Ist ja eigentlich auch egal was die machen, Hauptsache man kann dann endlich laufen. Und ich lief. Und es lief auch. 1:03:13 für die ersten 10km, 02:06:29 für 20km, wenn man mal von 3 Sekunden absieht eine schön konstante Leistung, oder? Damit konnten dann ja 3:09:39 für die 30km Marke angepeilt werden. Es wurden 03:14:06. Kein Drama. Das würde mich doch noch in 4:3x im Ziel sehen….
Aber es ging weiter. Neben den ersten 5Minuten habe ich noch viele weitere Minuten ungenutzt an die Strecke gelegt.
Warum?
Eine gute, eine berechtigte Frage. Eingangs erwähnte ich zwei mögliche Gründe. Zu wenig Schlaf, Sonne und keine Kappe. Aber ehrlich, waren das die Gründe? Ich denke nein. Was dann?
Ich hatte keine Lust. Kraß aber war. Ich lief, die Beine waren schwer, aber es tat nichts weh. Ich wurde langsamer. Und es störte mich nicht. Ich wurde überholt. Es störte mich nicht. Ich sah meine Zielzeit schwinden. Und es störte mich nicht. Ich hatte keine Lust mit dem Kopf Gas zu geben. Was sicher in gewissem Rahmen möglich gewesen wäre. Es war wie es war. Ich lief so wie es lief. Ich hab mich einfach treiben gelassen.
Dann lagen die ersten Menschen mit Sauerstoffflasche am Kopf am Rand, Rettungsassistenten gestikulierten wild über Ihren blasen Köpfen, Umstehende faseleten wirres Zeug. Der Kopf fragte: Du auch? Ich sagte nein. Darauf der Kopf, dann laß es weiter locker rollen. Ein Kopf ein Wort und so rollte ich weiter. Es war laufen. So eine Art. Langsames laufen, mit einem Hauch Schwerfälligkeit. Aber laufen. Es gab eine – den Methoden moderner Kurzzeitmessung zugängliche – Flugphase. Also noch laufen. Kein Gehen. Und es war gut so.
Das war so in etwa die Strecke von km 30 bis 35. Ich war mittlerweile auf ein langsames Biel Tempo zurückgefallen. Ich lief im Bereich von 7:30-8:00min auf den km. Interessanter Weise kam mir das recht flott vor. Ich breche ja traditionell hinten ein. Traditionell bedeutete das aber man überholt mich. Und zwar nur noch. Dieses Jahr war alles anders. Ich wurde zwar auch überholt und zwar reichlich. Aber auch ich überholte noch. Und zwar reichlich. Was war das? Ich bewegte mich nur noch unmerklich vorwärts und andere waren noch langsamer? Ups, das soll hier nicht wie Hohn oder Spott klingen, ich war schlichtweg überrascht. Ich kannte das so nicht. Für mich hieß das nur, auch andere hatten zu wenig Schlaf und Ihre Kappe vergessen. Ich war nicht allein.
Zielgerade. Ich war ewig hinter meiner Vorstellung von gemütlichen 4:30 hinter her. Meine Familie stand an der Zielgerade (hatte auch schon bei km 32 gestanden) und das war Premiere. Bisher wurde mein Laufen nicht unterstützt, diesmal waren Sie da. Und nicht nur einmal wie besprochen, sondern auch noch im Ziel. Zeit hatte ich ja jetzt jede Menge, also auf den letzten Metern noch mal angehalten. Kinder geknuddelt und dann in Richtung Ziel geschlichen. Und schwups war die Nr. 10677 nach 4:49.09 auch im Ziel.
Und da merkte ich das ich es richtig gemacht hatte mich ab 30 gemütlich rollen zu lassen. Nach dem Ziel sind mir noch mehr überhitzte Läufer begegnet als an der Strecke. Läufer hingen hier und dort in abstrußen Beinhoch Haltungen, humpelten und keuchten. Jetzt kam die Stunde des lahmen Läufers. Denn mir ging es gut.
Ich hab dann noch den schnellen Kollegen gratuliert (3:37, 4:59), mit den laufen-aktuell Fories ein wenig geschnattert. Danke auch noch mal an Tessa fürs Groupen auf der Kennedybrücke.
Fazit:
Der Lauf kam anders als geplant. Ich bin etwas enttäuscht, aber froh über meine Entscheidung es einfach laufen zu lassen. Dennoch, Biel kann kommen, den Schlappschritt habe ich schon jetzt perfekt im Kasten.