Moin,
Jungfrau 3.0
Releasenotes:
Release 1.0 hat primär unter dem gebrochenen Schlüsselbein zu leiden gehabt. Eine Hamburger Autofahrerin hatte mir dieses Feature noch 8 Wochen vor dem Release 1.0 untergeschoben und ich diesen bug vor dem Releasetermin nicht mehr fixen.
Release 2.0 setzte diese Tradition fort. Allerdings war ich es selbst, der mit der Teilnahme an den 100km von Biel das Feature Ermüdungsbruch im Fersenbein zum Release 2.0 hinzufügte.
Release 3.0 hat jetzt endlich keine erkennbar unerwünschten Features mehr und kann somit als bug frei in Produktion gehen.
Im Detail:
Aber war ich dieser Herausforderung eines bug freien Releases gewachsen? Bereits vor dem Release Termin festgestellte Bugs beinhalten immer eine eingebaute Ausrede: Wenn nicht der Bug gewesen wäre, ich wäre ja angekommen. Diesmal kein physischer Bug erkennbar. Ich musste also ohne eingebaute Ausrede starten. Ein ungewohnter Druck und eine neue Dimension im Sport.
Neu im Release 3.0 waren also:
Bekannte Features die weiterverwendet wurden waren:
Am 08.09.07 (ja die Zahlen sind so sortiert, es geht hier um ein Datum und nicht um eine aufsteigend sortierte Zahlenreihe) war es soweit, Jungfrau 3.0 ging live.
Übernachtet haben wir in der tollen villa. Wie immer ein tolles Quatier. Hier malein Bild und der Bilck aus dem Zimmer
Wie bei den vorangegangenen Versionen fand der Start um 09:00 in Interlaken am Rand der HöheMatte statt, die allerdings nicht mit der Zeitmatte identisch ist, auch wenn beide in unmittelbarer Nähe zueinander beheimatet sind. Nach einem Böllerschuß, der für die in der Nähe stehenden ein weder in der Lautstärke noch in der Tonhöhe zu variierendes Tinituspfeifen zur Folge hatte, begann der kollektive run zu den beliebten Duschen auf der kleinen Scheidegg.
Die ersten 10km sind bekanntermaßen Flach – daran hatte auch das Release 3.0 nichts geändert – doch bereits an der dann folgenden Steigung zeigten sich die ersten Auswirkungen des im Release 3.0 enthalten Features: Ein tatsächlich durchgeführtes Training. Das Feature Steigungen kann man auch gehen musste hier noch nicht aktiviert werden. In leichtem Trab ging es hinauf.
Völlig ungewohnt hoppelte ich so am Bach entlang bis nach Lauterbrunn. Selbst die Steigung am Parkhaus vorbei zuckelte ich mehr laufend als gehend – irgendwann verschwimmen ja die Grenzen dieser Beiden Stilrichtungen beingestützter Fortbewegung – hinauf.
Auch das Wetter, welches vielleicht als letzte Ausrede hätte herhalten können zeigte sich - wie in Release 2.0 - von seiner besten Seite. Wir hatten knalle blauen Himmel und angenehme Temperaturen. Es war schlicht perfekt.
Würde ich im Release 3.0 tatsächlich bis vor die Wand laufen? Doch ich denke das kann man mit Recht und Fug behaupten. Ich lief bis vor die Wand. Ob ich in diesem Leben noch ein Release erlebe in dem ich auch die Wand hochlaufe, ich denke nein!
Die Wand, die Stelle an der die Jungfrau zum Berglauf mutiert, die Stelle die sich vom Rest der Strecke ab- und den Läufer auf wenigen hundert Metern um einiges hoch-heben will ist physikalisch gesehen eigentlich nicht der Rede wird. Warum? Dies sei im folgenden aufgeührt:
Hebe 90Kg auf ca. 1km um 300m an (genau das was in der Wand passiert). Dem Physiker fällt sofort auf, dass die Strecke dabei in einer reibungsfreien Welt egal ist, wir es also nur mit der reinen Erzeugung potentieller Energie zu tun haben. In Erdnähe gilt bekanntlich m mal g mal h für die - auch Lageenergie bekannte - potentielle Energie. Hier also
90 mal 9,81 mal 300 macht so ca. 65 Kcal. Lächerlich. Hatte ich doch an der Verpflegungsstelle unten an der Wand noch zwei so genannte Energie Sachets zu je 90Kcal zu mir genommen. Ich hatte also Energie im Überfluss. Nur mein Körper wusste mit dieser Energie nichts anzufangen und empfand auch im Release 3.0 die Wand als anstrengend. Nicht jeder Körper kennt sich eben in der Physik aus und ist in der Lage sich adäquat zu benehmen.
Ich zum Beispiel mußte in der Wand erkennen, daß ich beim bergauf diesmal leiden würde. Ich war mir noch nicht sicher warum, aber so richtig flott war ich nicht unterwegs.
Einen Teil meiner potentiellen Energie konnte ich kurz vor Wengen auf der nach der Wand folgenden Bergabstrecke wieder freisetzen. Auch hier waren weder der Körper in Gänze, noch die Knie im speziellen davon überzeugt, dass es sich hierbei um verlustfreie Energie Rückgewinnung handelt. Um also den Knien nicht vorzeitig Grund zum jammern zu geben, habe ich bergab die Bremse nicht völlig gelöst und bin in moderatem Tempo die wenigen Meter bergab gerollt.
Wengen war wieder ein echtes Stimmungsnest. Schnell war der S-förmige Schlenker durch Wengen erledigt und es ging hinaus in die grüne Bergwelt. Auch hier war ich noch gut dabei, wenn ich auch wie alle um mich rum fast nur noch geganen bin. Sollte Training doch eine Auswirkung auf die Leistung im Wettkampf haben? Keine voreiligen Schlüsse, noch war ich nicht oben.
Dennoch sei hier ein Exkurs auf meinen regel-basierten Trainingsplan erlaubt. Um auch anderen zu ermöglichen die Früchte eines strengen und konsequenten Trainings zu ernten habe ich den Plan unten einfach mal angefügt.
Wo wir gerade beim abschweifen sind, auch zu meinen Schuhen möchte ich noch kurz Stellung nehmen. Bekanntermaßen bin ich ein Ausrüstungsfreak und kaufe gern und oft neue Gadgets zum laufen. Sicher eiche nicht ganz so häufig Schuhe und Uhren wie das vielleicht andere tun, aber Spaß bringt es schon. Im Release 3.0 sollte aber alles anders sein. War ich doch Release 1.0 und 2.0 mit den gleichen Schuhen gelaufen. Sollte ich einfach mit dieser Serie brechen? Nein, das ging ja wohl überhaupt nicht. Also wurden aus einem Schrank voller Schuhe die alten Dinger rausgefummelt und noch mal an die Füße montiert. Dämpfung und ursprünglich vorhandene andere Eigenschaften hatten die Schuhe längst bei diversen Trainingskilometern und in Folge von UV und anderen Alterungsbeschleunigern eingebüßt. Aber für die Jungfrau 3.0 waren Sie noch gut. Ist ja nur ein längerer Halbmarathon mit anschließender flotter Bergwanderung, wer braucht da Dämpfung?
Zurück zur Strecke. Wengen war also Geschichte und ab ging es in die „Gegend“. Auch in diesem Jahr hat sich den Kühen an der Strecke anscheinend noch nicht erschlossen, warum zwei Beiner Spaß daran haben Steigungen laufend zu bewältigen. Stehen, glotzen und Wiederkäuen ist wohl nach wie vor mehr Ihr Ding. Aber keine von Ihnen hatte – soweit ich erkennen konnte – einen Chip um den Huf und so wären Sie eh nicht in die Wertung gekommen. Auch die Finisher Shirts (diesmal übrigens in gelb) waren nicht in beliebiger Größe verfügbar.
So langsam näherte ich mich der Stelle (ca. km 35) an der mich letztes Mal der Bessenradler eingeholt hatte. Diesmal hatte der wohl schlecht gefrühstückt, jedenfalls hat er mich nicht gepackt. Ist ja letztlich auch fix unsportlich. Alle laufen und der fährt Rad. Ein schönes Gefühl ihn weit hinter sich zu wissen.
So jetzt mal flott runter zur Liftstation von Wixi gerannt. Es sind ein paar hundert Meter bergab und ab da muß man wirklich nur noch wandern. Daher habe ich den Knien hier Ihre Bedenken ausgeredet und mich auf ein „Alles oder nichts“ verständigt. Ich war also hier so schnell wie wohl an keiner anderen Stelle des Laufes. Unten musste ich allerdings bremsen, den ich wollte ja noch futtern und trinken bevor die Moräne meinen Puls in ungeahnte Höhen treiben würde.
Die Gnade der späten Ankunft bescherte mir am Bergpfad diesmal leider nicht den Verzicht auf einen Stau, so dass ich hier ein wenig Zeit verloren habe. Gesichtsfarbe und Pulswerte ließen es vermuten, ich kam auch ohne den Stau dann nicht mehr so gut voran. Einige mußte ich auf dem schmalen Pfad an mir vorüber ziehen lassen. Ich denke die Schweizer hatten Ihre Sauerstoff Rechnung nicht pünktlich bezahlt und so hier ob auf eine adequate Versorgung mit diesem Zeugs verzichtet. Ich schnaufte jedenfalls arg.
Auf dem Kam schwenkten wieder Schweizer unermüdlich Ihre National Fahne und Alphörner erzeugten Töne die tief aus dem Berg zu kommen schienen. Von hier waren es nur noch wenige Höhenmeter bis zu den anderen Tönen, denen aus dem Duddelsack, die dann das Ende des Aufstiegs markieren würden.
Ich reite mich also in die allseits bekannte Perlenschnur auf dem Kam der Moräne ein und ging mit den Armen auf die Oberschenkel gestützt in Richtung der quäkenden Inselmusik. Und ratzt die Fatz war ich oben. Zumindest dieser Teil ging dann wieder halbwegs, auch wenn ich sicher nicht wirklich locker ausgesehen habe.
Jetzt noch flott die paar Meter ins Ziel geflogen, Medallie um, Kleidersack gegriffen, Chip vom Schuh, Finisher Shirt in die Hand und endlich, endlich unter die DUSCHE! Dem waren Höhepunkt des Laufes. Heißes Wasser in Mengen über den Körper, in frischer Bergluft deren Aroma durch feuchte Socken und Berge von verschwitzten Funktionsklamotten angereicht wurde. Ich denke ich war so ca. 2-3 Stunden in der Dusche (gefühlt) und habe mich auch dann nur ungern dort wegbewegt.
Ich traff dann all die anderen aus meiner Gruppe. Andrea 4:45 Moni knapp über 5 Stunden, Sven 5:29 und dann ich in 6:21. Bis auf Nol waren alle schon vor mir im Ziel, den es kann nur einen wahren Schlussläufer geben (siehe auch www.schlusslaeufer.de). Nol mußte leider Magenbedingt bei km 30 aussteigen. Sonst wäre wohl auch er noch vor mir oben gewesen.
Wir haben dann noch das Leben in vollen - oder besser überfüllten - Zügen genossen und uns Abends reichlich Nudeln in den Magen geschoben. Ein gelungener Tag.
Und nun? Nun heißt es wieder ein Jahr warten bis man wieder diesen unheimlich tollen Lauf bestreiten darf. Bis dahin wird man sich mit Finisher Shirt kuscheln, Medallie anstarren und andere Leute zutexten über Wasser halten müssen.
Und hier noch der versprochen Trainingsplan
Trainingsprogramm
Vorbemerkung:
Die Regeln:
Regel 1: Die Länge der kürzsten möglichen Laufeinheit beträgt 10km
Ableitung: Zumindest gilt diese Regel, wenn man entweder selbst dem Reinheitswahn erlegen ist oder mit einem Menschen zusammenlebt der darunter leidet. In diesem Fall nämlich ist es nahezu unmöglich Laufklamotten mehrfach zwischen zwei Reinigungsintervallen zu nutzen. Um hier also ein Umwelt- und Kostenverträgliches Gleichgewicht herzustellen ist eine minimale Zeitdauer/ Strecke zu definieren.
Regel 2: Es gibt keine maximale Länge für eine Laufeinheit
Ableitung: Dies ergibt sich zum einen bereits aus Regel 1, denn je länger gelaufen wird desto besser das Reinigungs/Nutzverhätlnis für die sündhaft teueren Funktionsklamotten. Zum anderen ergibt es sich aus dem Umstand, dass der Start zu einem Lauf i.d.R. Streß mit dem Lebensabschnittsgefährten bedeutet. Läuft man nun lange muß man nicht so oft loslaufen, weil die Wochenstatistik ja schon gut aussieht, die Anzahl der Stresssituationen sinkt also. Gleichzeitig ist festzustellen, dass der Streß nicht linear mit der Dauer steigt. Lange Laufeinheiten optimieren also den maßgeblichen Trainings/Streß Quotienten .
Regel 3: Die höchste Geschwindigkeit für eine Laufeinheit beträgt 4:30 min/km.
Ableitung: Dies ist in Analogie zu c (Lichtgeschwindigkeit) die absolut maximale Geschwindigkteit. Folgende Gesetzmäßigkeiten belegen diese Analogie:
Regel 4: Es gibt keine langsamste Geschwindigkeit für eine Laufeinheit.
Einschränkung: Überschreitet man 9 min/km ist ein Wechsel in das so genannte Gehen - eine Unterart des Laufens - angeraten. Man wird dadurch in der Regel nicht langsamer, vermeidet aber den Eindruck man würde nur deshalb noch die Beine anheben und absenken weil man vergessen hat das man sich nicht mehr im Trog mit den Weintrauben befindet und Saft gewinnen will.
Regel 5: Gelaufen wird an Tagen an denen man Lust hat zu Laufen.
Ableitung: Hier bietet sich die Ableitung über die Aufstellung einer Gegenhypothese an. Prüfen wir also ob: Gelaufen wird an Tagen an denen man keine Lust zum Laufen hat gültig ist. Da sicher niemand widerspricht, dass diese Behauptung offensichtlich falsch ist, sind wir an dieser Stelle fertig.
Regel 6: An einem Tag nach einem Lauftag, wird nicht gelaufen.
Ableitung: Ist nicht ganz leicht. Aber es soll Medinziner geben, die sich in dieser Richtung geäußert haben. Angeführt wird das fadenscheinige Argument der Regenration. Um es sich nicht vollständig mit den Medizinern zu verderben – wir brauchen Sie ja um unsere Überlastungsschäden zu heilen – lassen wir diese Regel bestehen, auch wenn die Ableitung mehr als dürftig ist. Im Übrigen sei hier auch auf Regel 6a verwiesen.
Regel 6a: Sollte man an einem Tag nach einem Lauftag Lust haben zu laufen, gilt Regel 6 nicht.
Ableitung: Hinfällig, weil selbsterklärend aus Regel 5
Regel 7: Hat man keine Lust läuft man nicht.
Ableitung: Jetzt befinden wir uns im spannenden Bereich der zirkelbezüge. Und über einen solchen leiten wir auch diese Regel ab in dem wir auch hier die Gegenhypothese aufstellen: Wenn man Lust hat läuft man. Dies haben wir als Regel 5 bereits bewiesen. So und damit noch viel Spaß beim im Kreis laufen.
Regel 8: Es gibt keine maximale Dauer für Tage an denen man keine Lust hat
Ableitung: Na das versteht sich jetzt aber von selbst, oder?
Regel 9: Einen Wettkampf läuft man wenn man Lust hat.
Zusatz: Weitere Vorbedingungen für die Teilnahme an einem Wettkampf gibt es aus Trainingssicht nicht.
Ableitung: Ein Wettkampf ist immer im Kontext der Vorbereitung, der Laune am Wettkampftag, dem Wetter, der Stellung der Sterne, der Anzahl der Sandkörner am Strand von Travemünde und all diesen anderen bedeutenden Einflussfaktoren zu sehen. Daher wäre es irrig zu glauben Training hätte hier eine herausragende Bedeutung. Wenn man Lust hat zu starten sollte man es tun. Der Rest ergibt sich.
Und hier jetzt endlich der Trainingsplan:
Halte Dich streng an die Regeln und schreibe nichts auf.